Fertiger Bergschuh Lowa Jetzendorf

Betriebsbesichtigung und geballtes Expertenwissen von LOWA

Am letzten Freitag waren die Berghelden zu einem exklusiven Event bei der Firma LOWA Sportschuhe GmbH eingeladen.
Wir durften einen Tag hinter die Kulissen der traditionsreichen Schuh-Manufaktur in Jetzendorf schauen, die gesamte Produktion besichtigen und den Schuh-Experten von LOWA Löcher in den Bauch fragen. Zum krönenden Abschluss durften wir uns noch auf Kosten von LOWA im Waldkletterpark von Jetzendorf austoben. An dieser Stelle schon mal vielen Dank an die Verantwortlichen bei LOWA!

Da die gesammelten Eindrücke sehr interessant waren, möchten wir einiges davon hier weiter geben.

Ich muss gestehen, bisher war ich Meindl-Fan. Das liegt wohl aber auch daran, dass LOWA gefühlt im Stadtgebiet von München nicht so stark vertreten ist wie Meindl und Hanwag.
Die Marke LOWA habe ich bisher wenn überhaupt als „altbacken“ und „unsexy“ wahr genommen.
Durch den Besuch bin ich jetzt doch ein kleiner LOWA-Fan geworden.

Wer oder was ist LOWA?

Los gings mit einer kleinen Einleitung im Showroom von LOWA.

Lowa Showroom Jetzendorf

Lowa Showroom Jetzendorf

LOWA hat eine lange Tradition. Seit über 90 Jahren stellt die Firma von Lorenz Wagner Schuhe her. 1923 ging es erst mit Haferlschuhen los. Der Erfolg trieb Lorenz Wagner dazu das Sortiment zu erweitern. So entstanden bereits 1930 die ersten Bergschuhe für Gebirgsjäger und die ersten geschnürten Skistiefel. Beides Produkte, die den Grundstein für den bis heute währenden Erfolg und der Bekanntheit der Marke LOWA legten.
Bis 1992 blieb LOWA auch in Familienhand. Nach dem Tod von Lorenz Wagner 1953 führte seine Tochter Berti mit ihrem Mann Sepp Lederer, der 1931 als Lehrling in die Firma eintritt, die Firma weiter.  Die letzten 5 Jahre, bis zur Übernahme durch die italienische Tecnica-Group, leitet ihr Sohn Stefan die Geschicke des „Schusters aus Jetzendorf“.
Meilensteine in der Unternehmensgeschichte sind z.B. die Erfindung des „Air-Systems“ für Skischuhe im Jahr 1972, die LOWA in diesem Segment ein absolutes Alleinstellungsmerkmal bescherten.
Mit dem Schuh-Modell „Trekker“ sorgte LOWA 1982 für die Geburtsstunde des Trekkingschuhs und ist hier mit Modellen wie eben dem Trekker, Camino, oder dem Vantage bekannt geworden und zählt sich selbst zu den Marktführern.
1995 stieg LOWA dann auch im Bereich „All Terrain Sports“ bzw. „Speedhiking ein und brachte die erste Kollektion von leichten Outdoorschuhen auf den Markt. Hier wurde das Modell Renegade ein Kassenschlager
Im Jahr 2000 produzierte LOWA erstmals eine Million Paar Schuhe. Nur 10 Jahre später waren es bereits zwei Millionen Schuhe-Paare.
Gestemmt haben dieses europaweit 4000 Mitarbeiter, wovon 250 am Stammsitz in Jetzendorf beheimatet sind.

Lowa Sales-Team Jetzendorf

Das Sortiment von LOWA umfasst heute die Bereiche Alpin-Schuhe (eher für Extrem-Bergsteiger), Backpacking und Trekking, All Terrain Sport (ATC-Leichtschuhe, auch bekannt als Speed-Hiking-Schuhe, und Freizeit), Tavel, Cold Weather Boots und vor allem Kinderschuhe. Zudem wird man sich nächstes Jahr im Bereich „Sneaker“ noch stärker engagieren als es eh schon der Fall ist und weitere sportliche Alltags-Schuhe mit „alpinem Touch“ heraus bringen. Ein paar Prototypen durften wir schon sehen und ich muss sagen „Haben will!“ 🙂

Ein weiteres Betätigungsfeld von LOWA sind dann noch Spezialschuhe für Jagd, Armee und Arbeitssicherheit.

Weil es oft gefragt wird, „LOWA“ steht für „Lorenz Wagner“ und „Hanwag“ für seinen Bruder Hans Wagner, der unweit von Jetzendorf seine eigene Schuh-Herstellung gründete. Beide Unternehmen haben bis auf den familiären Ursprung nichts miteinander zu tun.

LOWA Schuhe – Qualität „Made in Europe“

Echtes Schusterhandwerk aus dem Herzen Europas

Danach ging es in die Produktion. Das war ehrlich gesagt ein ziemlicher Augen-Öffner. Man ist ja heutzutage durch maschinelle Massenproduktionen und Pluralismus recht versaut was das Thema Wertschätzung gegenüber einem Produkt angeht. Man nimmt grundsätzlich fast immer an, dass Produkte billig in Fernost produziert werden und der Hersteller eine riesige Marge auf die Ware hat.
Bei LOWA sieht die Welt allerdings ein wenig anders aus. Ein LOWA-Schuh ist noch richtige ehrliche Handarbeit und alle Arbeitsschritte erfolgen ausschließlich in Europa. Die meisten Bergschuhe (ca. 400.000 Paare) tragen sogar das Label „Made in Germany“, weil komplett in Jetzendorf hergestellt, was mit der teuerste Produktionsstandort Deutschlands ist, weil durch die Nähe zu München Personal teuer und auch rar ist.
Der Rest der Schuhe wird in den Werken in der Slowakei oder in der italienischen Schuh-Hochburg Montebelluna „geschustert“.

Aufwändige Handarbeit

Alle Materialien werden ausschließlich in Europa hergestellt und vorgefertigt. Das Leder kommt z.B. aus Italien und wird auch dort gegerbt. Selbst der Schuhkarton wird in Deutschland produziert!
Auch wenn natürlich Maschinen zum Einsatz kommen, so haben wir mit großen Augen festgestellt, dass wahnsinnig viele Produktionsschritte wirklich noch aufwendig von Hand und echten Schustern durchgeführt werden. Echt ein überraschendes Erlebnis!
Als kleiner Anhaltspunkt. Für das Anbringen der Sohle am Schaft stand auf einem Produktionslaufzettel eine Laufzeit von über 3 Stunden. Die vorherigen Schritte wie das Zuschneiden der Teile, das Nähen des Schafts, das Anbringen der Ösen etc. dauern wahrscheinlich noch einiges länger. So ein Trekkingschuh besteht übrigens aus ca. 185 Einzelteilen!
Dass sowas in Deutschland noch möglich ist hat uns schon alle ziemlich überrascht!

Und hier ein paar Eindrücke aus der Produktion bei LOWA in Jetzendorf

Qualität und Wertebewusstsein bei LOWA

Eigene Qualitätstests

Bei LOWA merkt man schon ziemlich deutlich, dass es nicht nur irgendein Schuh-Hersteller ist. Allen Mitarbeitern bei LOWA hat man angemerkt, dass sie stolz auf ihr Unternehmen sind und dass sie besondere Werte schaffen wollen.
Das hat sich auch z.B. darin gezeigt, dass sie sich nicht auf die zugesprochene Qualität eines Lieferanten verlassen, sondern nochmal alle Materialien selbst testen. Da wird getestet ob die Gore-Tex-Membran tatsächlich wasserdicht ist, der Schnürsenkel auch wirklich bealstbar ist oder das Textil sich nicht zu schnell abreibt. (Siehe nachfolgende Bilder)

Schuhe haben einen Wert und werden nicht einfach weggeworfen

Ein weiterer Eye-Opener war auch die Reklamations-Abteilung. Jeder Schuh, der bei einem Händler reklamiert wird, kommt nach Jetzendorf und wird dort tatsächlich von Schuh-Spezialisten geprüft! (In der Woche des Besuchs waren es über 550 Paare)
Sollte der Schuhe einen wirklich defekt haben, der nicht durch unsachgemäßen Gebrauch entstand, dann repariert LOWA den Schuh kostenlos. Das ist erstmal nichts außergewöhnliches. Aber besonders finde ich, dass man auf keinen Fall hergeht und den defekten Schuh einfach (z.B. aus Kostengründen) wegwirft und einen neuen an den Kunden schickt. Das wäre wahrscheinlich billiger als eine große RMA-Abteilung zu unterhalten. Aber das passt nicht zum Werte-Verständnis der Marke LOWA. Die Denke ist, dass man einen so aufwendig produzierten Schuh wertschätzen muss und versucht ihn so lange wie möglich zu erhalten.

Ein Ansatz, der in unserer Wegwerfgesellschaft leider meist verloren gegangen ist. Aber es spricht auch für die Handwerkskunst von LOWA. Ein rein maschinell hergestellter Schuhe ließe sich wahrscheinlich auch gar nicht mehr von Hand reparieren.

Neubesohlung?

Das oben genannte hat übrigens einen weiteren Vorteil. Sollten die Sohlen Eurer Trekkingschuhe mal recht abgelaufen sein oder sich ablösen (was nach 7-8 Jahren ganz normal ist), dann könnt ihr Eure Treter einfach an LOWA schicken und sie erneuern lassen. Die Schuster schleifen dann die alten Sohlen ab und ziehen neue auf. Das hat den Vorteil, dass ihr Euren über Jahre eingelaufenen Bergschuh weiter nutzen könnt. Möglich ist das bei Alpin-, Backing- und Trekkingschuhen. Bei ATC-Schuhen wird die Sohle nicht mehr geklebt sondern gespritzt. Daher ist hier nur die Erneuerung des Absatzes möglich.

 

Schuhe zur Neubesohlung bei Lowa Jetzendorf

Schuhe zur Neubesohlung bei Lowa Jetzendorf

Fazit des Tages

Ich könnte jetzt noch 100 spannende Fakten auflisten, weil uns das Team von LOWA so viel spannendes erzählt hat. Da gings z.B. noch ums Gerben des Leders bis hin zur richtigen Pflege des Schuhs (dazu mache ich einen eigenen Post).
Die Mitarbeiter von LOWA wurden nicht Müde uns an ihrem Fachwissen teilhaben zu lassen und haben alle Themen mit Enthusiasmus und einem gewissen Leuchten in den Augen erklärt. Es war schön zu spüren, dass hier Menschen absolut hinter dem stehen was sie tun und keine Söldner sind.

Ich habe an dem Tag gelernt, dass ein Schuh noch echtes Handwerk sein kann und das im Bereich Bergschuh wohl auch noch lange so bleiben wird. Deswegen bringe ich meinen Schuhen nun einiges mehr an Wertschätzung bei und werde sie nicht mehr einfach nur „mit Füßen treten“.