Jede Gebirgsgruppe im Münchner Einzugsbereich hat so ihre Reize: das Karwendel mit seinen wilden Felstürmen und wüsten Geröllrinnen, das Wetterstein mit seinen hochalpin anmutenden Felswänden, der schroffe-spektakuläre Kaiser, die gutmütigen, sonnigen Ammergauer etcpp.

Tja, und es gibt die Lechtaler Alpen, die uns vielleicht noch ein ganzkleineswinzigesbisserl lieber sind als die anderen. Frei von Massen- und „Fun-“ Tourismus und ohne Übererschließung muss man hier einfach noch selber laufen und sich unterwegs selbst bespaßen.
Da die Lechtaler dank ihres Wasserreichtums bis in große Höhen unglaublich grün und blumenreich sind, ist das mit dem Sich-Bespaßen aber ziemlich einfach: man geht eben „Blümchen-Schauen“ und langweilt sich garantiert keine Minute…

Wer ausgewachsene Bergtouren liebt, dem würden wir jetzt die Namloser Wetterspitze oder den Maldongrat empfehlen, beides mit Ausgangspunkt Namlos (der Ort heißt wirklich so). Es geht aber auch eine Nummer kleiner und gemütlicher:

Von Bergwang durchs Älpeles-Tal auf die Suwaldspitze und den Hönig

Wir starten im kleinen Dorf Berwang und wandern vom Ortsrand recht flach und gemütlich zum Beginn des tief eingeschnittenen Älpeles-Tal. Einfach und gemütlich windet sich der Pfad an der rechten Hangflanke entlang – bzw. er würde sich winden, wenn ihn nicht diverse Lawinenstriche und Schuttreissen öfter mal daran hindern würden. Im Winter und Frühling rumpelt es gewaltig im Älpeles-Tal und ab und zu wird es von Lawinen etwas „umgebaut“; auf den Wanderweg wird dabei  wenig Rücksicht genommen.

Also nicht wundern, wenn man auch im Juni noch stellenweise über bockharte Lawinenboller steigen oder ein abgerutschtes Wegstück im Bachbett umgehen muss. Schwierig ist das alles i.d.R. nicht und lang auch nicht; spätestens wenn man am „Älpele“, einem wunderbaren Aussichtsplatz mit Brotzeitbank, angekommen ist, sind alle Schwierigkeiten – sofern es überhaupt welche waren- überwunden. Botanisch ist bereits auf dieser Anfangsetappe einiges geboten: wer gute Augen hat, kann am Eingang zum Älpeles-Tal den seltenen Fliegen-Ragwurz entdecken.

Breitblättriges und gestutztes Läusekraut sind zwar nicht ganz so rar, aber in solchen Massen, wie sie im Älpeles-Tal auftreten, sicher rekordverdächtig. Dazu kommen die „üblichen Verdächtigen“ (nicht abwertend gemeint) wie Lichtnelke, Berghähnlein, Klappertopf und Almenrausch in Hülle und Fülle.
Am Älpele halten wir uns rechts (links ginge es zum „Roten Stein„, auch eine schöne Tour) und wandern über einfaches Wiesengelände hinauf zu einer Einsattelung im Gratkamm. Hier sieht man, dass der Schnee noch nicht lange weg ist; das typische Frühlingsszenario aus Enzianen, Kugelblumen, Soldanellen und Aurikel bestimmt das Bild.

Auf die Suwaldspitze oder gleich auf den Hönig?

An der Einsattelung kann man sich nun entscheiden, ob man fakultativ noch der Vorderen Suwaldspitze - GipfelSuwaldspitze (Foto rechts) einen Besuch abstatten möchte. Wir möchten natürlich!
Ca. eine halbe Stunde dauert es, auf schmalem, aber gut gangbarem Steig die N-Flanke zu durchwandern, den Gipfelaufbau zu umrunden und quasi von der Rückseite her den aussichtsreichen höchsten Punkt auf Steigspuren zu erklimmen .

Wer es lieber gemütlicher mag, darf sich an der Einsattelung gleich nach rechts wenden und immer am Grat entlang (nicht ausgesetzt) hinaufsteigen zur ersten Erhebung im grünen Kamm, dem „Joch„. Ein paar Hügel und Senken weiter wartet dann der Gipfel des Hönig mit Kreuz und einem weiteren Brotzeitbankerl.

Bei diesem „Gratgang“ zeigt es sich, dass die von weitem eher fad aussehenden Grasflanken zu beiden Seiten eine unglaubliche Blumenvielfalt aufweisen: neben flächendeckenden Trollblumen-und Storchschnabel-Beständen gibt es auch große Horste des nicht so häufigen Allermannsharnisch *).

Der Abstieg vom Hönig mit botanischem „Finale furioso“

Nach der Pause mit akuter Einschlaf-Gefahr überschreiten wir den Hönig nach Nordwesten. Entlang des bequemen Zickzack-Steigleins kommt es einem fast so vor, als hätte die Natur nochmal alle Bergblumen zusammen für ein furioses Finale aufgeboten: zu den bekannten Arten kommen jetzt noch schmucke Orchideen wie verschiedene Knabenkräuter und Händelwurze. Die Rastkogel-Hütte, die man beim weiteren Abstieg passiert, wäre eigentlich wenig erwähnenswert, da sie als Skilift-Station im Sommer geschlossen ist,  aber in ihrer unmittelbaren Umgebung wartet ja noch das abschließende botanische Mega-Super-Ultra-Highlight: ein großes Rudel prächtiger Strauß-Glockenblumen!

Wer jetzt nicht vollkommen happy das letzte Teilstück antritt, dem ist nicht mehr zu helfen!
Auf der Skipiste stapft man weglos hinunter bis zu einer querenden Forststraße; während man auf ihr durch bunte Wiesen zurückwandert nach Berwang, kann man sich ja überlegen, ob man zum Abschluss eines wunderbaren Wandertags die heißen Füße (oder mehr) in den Plansee hängen mag…

Anforderungen:
Hönig (ohne Suwaldspitze): leichte Wanderung ohne exponierte Stellen, 750 Hm
Hönig (mit Suwaldspitze): Trittsicherheit nötig, schmale Bergwege im Steilgelände; gut 200 Hm extra

 

*) Namenserklärungen

Allermannsharnisch:
dem Volksglauben nach verfügte dieses Lauchgewächs über magische Kräfte und schützte auch den kleinen Mann (=Allermann) wie eine Rüstung (=Harnisch) vor bösem Zauber

Läusekraut:
der daraus gewonnenen Sud wurde gegen Kopfläuse eingesetzt